Molekulare Untersuchungen polymorpher Marker an degradierter DNA aus genetischen Archiven

Historische Anthropologie

Angeborene genetische Varianten beim Menschen werfen Fragen nach ihrer funktionellen und evolutionsbiologischen Bedeutung auf. Nahe liegende Erklärungsmodelle stellen Verbindungen zwischen Polymorphismen und Morbiditäts- bzw. Mortalitätsrisiken im Zusammenhang mit epidemischen Infektionskrankheiten her. Bekannt sind außerdem die Parallelen in der Abwehr von Infektionserkrankungen und der Abwehr von Tumorzellen.
Die Darstellung polymorpher Marker aus genetischen Archiven kann Hinweise liefern, ob sich Allelfrequenzen von Polymorphismen mit Bedeutung für Tumorerkrankungen von Jahrhunderten gewandelt haben und ob die Bedeutung dieser Polymorphismen im Zusammenhang mit epidemischen Infektionserkrankungen (z.B. Pest, Cholera) zu sehen ist. Zur Beantwortung dieser Fragen sind Methodenanpassungen an die spezifischen Charakteristika alter und degradierter DNA und darauf aufbauend molekulargenetische Untersuchungen an historischen Skelettserien und histopathologischen Sammlungen vorgesehen, die unschätzbare genetische Archive darstellen. Die Auswahl der genetischen Marker wird sich an den in anderen Projekten als relevant erkannten Strukturen orientieren, so zum Beispiel Zytokine (Interferon gamma, Tumor-Nekrosefaktor, Interleukin 10) und Rezeptoren für bakterielle Lipopolysaccharide (toll-like receptor 4) betreffen.
Die Untersuchung an archäologischen Skeletten werden ihren inhaltlichen Schwerpunkt auf paläoepidemiologische relevante Serien wie z.B. hochmittelalterliche Pest-Massenbestattungen aus Norddeutschland vs. regional gleiches und zeitstellungsnahes Kontrollmaterial legen und damit eine retrospektive und vergleichende Epidemiologie sowie die Überprüfung heuristisch formulierter Modellannahmen zu Selektionsparametern ermöglichen.
Die vorgesehenen Untersuchungen an histopathologischem Sammlungsmaterial bieten die Möglichkeit, kurzfristig und effizient den Zusammenhang zwischen genetischer Ausstattung und Krankheitsverläufen in Abhängigkeit von spezifischen Therapien zu fokussieren. Solche im Zentrum pharmakogenomischer Forschung angesiedelte Fragestellungen können ansonsten ausschließlich durch Langzeitstudien oder hilfsweise am Tiermodell beantwortet werden.

Stand der Forschung
Vor rund einem Jahrzehnt gelangen die ersten erfolgreichen PCR-gestützen Darstellungen mitochondrialer DNA und chromosomaler DNA aus verschiedenen biogenen Quellenmaterialien, darunter historische Skelettmaterialien sowie museale zoologische und botanische Sammlungsbestände (s. Beiträge in Herrmann und Hummel 1993). Seit dieser Zeit hat sich die „Ancient DNA“-Analytik rasch in zahlreiche andere spezifische Forschungszweige hinein entwickelt. So wurden zentrale Aspekte der Stammesgeschichte des Menschen (z.B. Krings et al. 1997), spezielle Fragen des Naturschutzes (z.B. Pertoldi et al. 2001) und Einzelfalluntersuchungen in der Geschichtsforschung (z.B. Foster et al. 1998) aufgegriffen. Zahlreich sind die Anwendungen in der Kriminaltechnik und solche vor politisch-völkerrechtlichem Hintergrund (z.B. Corach et al. 1997). Im Bereich der Paläoepidemiologie, einem der vielfältigen archäologisch-anthropologischen Kontexte (vgl. auch Literaturliste der Arbeitsgruppe), gelangen Nachweise von Tuberkulose-, Lepra- und Pesterregern aus historischem Skelettmaterial (s. Beiträge in Greenblatt und Spigelman 2003). Ebenfalls in die historische Dimension konnten molekulare Nachweise genetisch determinierter Erkrankungen vordringen, neben Chromosomopathien (Tönnies et al. 1998) wurden aus historischem Skelettmaterial genetische Abweichungen nachgewiesen, für die ein Heterozygotenvorteil gesichert ist (Sichelzellanämie; Faerman et al. 2000) oder aber vermutet wird (Mukoviszidose; Bramanti et al. 2003). In der medizinischen Grundlagenforschung wurden histopathologische Sammlungen von Beginn an als wertvolle genetische Archive erkannt und sowohl in größeren Studien als auch in der Kasuistik genutzt. Neuere Arbeiten belegen, dass der aus histopatholgischen Präparaten zu erzielende Informationsgewinn durch Verknüpfung, Anpassung und Optimierung molekularer Techniken noch bedeutend ausgeweitet werden kann (z.B. Junker et al. 2003; Bonin et al. 2003).

  Weiterführende Literatur

Projekpartner
Dermatologie und Venerologie
Genetische Epidemiologie
Hämatologie und Onkologie
Historische Anthropologie
Humangenetik
Immungenetik
Klinische Pharmakologie
MPI für Biophysikalische Chemie
Pädiatrie
Physiologie & Pathophysiologie

Projekte
Pharmakogenomik maliger Lymphone
DNA Reparaturmechanismen
Zytokine und Signalwege
Murine Tumor-Tiermodelle
Hitzenschockprotein-Rezeptoren
Biotransformation und Membrantransport Polymorphismen
Biophysikalische Untersuchung biologischer Makromoleküle
Genetische Anomalien des Neuroblastoms
Transporter für Tumortherapeutika